Ziel dieser Sitzung ist es, den Betreuern Improvisationsfähigkeiten zu vermitteln, um jungen Menschen mit Wut- und sozialen Ablehnungsproblemen zu helfen, ihre Emotionen zu erkennen, sie zu bewältigen und in eine positive Emotion umzuwandeln.

Am Ende der Sitzung wird jedes Mitglied dazu in der Lage sein:

  • Theatertechniken als Methodik zur Prävention emotionaler Gewalt anzuwenden
  • durch Improvisation eine sichere Zone für alle Subtypen von Opfern und Aggressoren in der Gruppe schaffen
  • die Geschichte und ihre Auswirkungen auf die Mitglieder der Gruppe zu analysieren und zu vertiefen, und zwar mit Hilfe von Drama-Konventionen und digitalen Drama-Aktivitäten.

FALL-SZENARIO

Der Protagonist ist ein Mann mit Problemen der psychischen Gesundheit. Im Laufe seines Lebens begann er mit verschiedenen Medikamenten; anfangs kam er mit der Situation recht gut zurecht und fühlte sich immer viel besser, aber jedes Mal, wenn die Fachleute seine Heilung beeinflussten, indem sie die Pilleneinnahme reduzierten, fiel er in „ein Loch“. Er erinnerte sich, dass er in der Schule einen Professor hatte, der nicht wusste, wie er mit ihm und seiner psychischen Erkrankung umgehen sollte. Der Professor griff den Protagonisten an, indem er ihn beleidigte, wenn er die Fragen falsch beantwortete, und ihn gleichzeitig ignorierte, wenn er mehr über die Lektion wissen wollte oder wenn er während einer Debatte eingreifen wollte. Der Junge fühlte sich so wütend und frustriert, dass er es vorzog, die Klasse zu verlassen. Glücklicherweise wurde er in den anderen Unterrichtsstunden von allen Professoren immer gut behandelt, aber er begann sich unbehaglich und immer weniger wichtig für die Klasse zu fühlen. Außerdem hat er irgendwann sein Interesse am Studium verloren, was ihn dazu veranlasste, seine Lehrsituation aufzugeben. Der Protagonist erinnert sich immer wieder an all die peinlichen Situationen, mit denen er zu kämpfen hatte, und an seine endgültige Entscheidung. Jedes Mal, wenn er eine neue Medikation einnimmt, vergisst er sie, aber sobald er die Pillen abgesetzt hat, kommen alle Erinnerungen wieder hoch und bringen ihn zu Fall.   Die Fachleute glauben jedoch immer noch an ihn, deshalb schlagen sie ihm eine andere Genesung vor, auch wenn der Protagonist immer noch glaubt, er würde nie heilen.

TRAININGSEINHEIT

Der/die Trainer/in begrüßt die Teilnehmer/innen und informiert sie durch Erzählung über das Fallszenario (siehe oben). Nachdem er die Teilnehmer über das Fallszenario informiert hat, stellt der/die TrainerIn die Ziele der Sitzung vor, indem er/sie die Art der Aggression, die Emotionen und die Bewältigungsstrategien aufzeigt:

  • Art der Aggression: Durchdringende Erinnerungen an verbale Aggression – emotionale Gewalt, die zum völligen Fehlen der Selbstwirksamkeit und zur Selbstzerstörung führt
  • Emotionen: Wut, Scham
  • Bewältigung: Stressoren im Zusammenhang mit psychischer Krankheit/Viktimisierung und Selbststigmatisierung
  • Bewältigung: Funktionelle Bewältigungsstrategien.
  • Fragen und Antworten zum Nachdenken über/zur Arbeit während der Sitzung in Bezug auf die Situation des Fallszenarios:

1. Frage

An welchem Punkt des Szenarios stellen Sie fest, dass der Protagonist ein Opfer von Gewalt war? Auf welche Art von Gewalt bezieht sich das Szenario? 

1. Antwort

Der Protagonist ist Opfer verbaler und emotionaler Gewalt während seines frühen Lebens, als er an der Hochschule studierte. Der Professor wusste nicht, wie er ihn behandeln sollte, deshalb tat er alles, um den Jungen aus der Klasse zu drängen. Der Lehrer hat ihn vor den anderen Mitschülern diskriminiert und gedemütigt..

2. Frage

Glauben Sie, dass die Gedanken, die Handlungen, die Gefühle und die Haltungen, die der Protagonist des Szenarios eingenommen hat, ihm geholfen haben, mit dieser Situation fertig zu werden? Gibt es alternative Ideen?

2. Antwort

Der Mann in seinem frühen Alter fühlte sich frustriert und wütend. Er versuchte, seinen Bildungsweg zu ändern, indem er anderen Kursen folgte, aber aufgrund des mentalen Drucks, den sein vorheriger Professor ausübte, begann er sich unzulänglich zu fühlen und hatte zudem mehr Angst davor, sich in die Debatten der Kurse einzumischen. Dem Protagonisten hätte es nicht peinlich sein dürfen, den Kurs weiter zu besuchen, da der Professor der einzige ist, dem die Schuld gegeben wird. Mit seiner Anwesenheit hätte er wie jeder andere Student gezeigt, dass er entschlossen und fähig ist.

3. Frage

Welche anderen Interventionen und Aktionen könnten dem Protagonisten weiter helfen, mit diesem Vorfall und möglichen ähnlichen Vorfällen in der Zukunft umzugehen?

3. Antwort

Es wäre wichtig, dass die Fachkraft dem Jungen erklärt, dass alles, was er fühlt, durch alte Erinnerungen gegeben ist und dass er im Moment völlig in der Lage ist, diese zu überwinden. Es ist wichtig, mit dem Protagonisten zu arbeiten, damit er versteht, dass das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen von innen heraus aufgebaut werden muss.  Außerdem wäre es ein guter Rat, dem Protagonisten vorzuschlagen, wieder einige Lektionen zu nehmen. Auf diese Weise wird er sich selbst beweisen, dass er es kann, und folglich kann er auch seine Medikamente absetzen und sich nie wieder niedergeschlagen fühlen.

Und auch:

  • Welches sind die Hauptprobleme, die in dem Fallszenario aufgedeckt werden?
  • Wie hängen die im obigen Fallszenario dargestellten Probleme mit bestimmten Emotionen zusammen?
  • Welches sind diese Emotionen?

Dann gibt es eine Diskussion und die Teilnehmer bringen ihre Ideen zum Ausdruck. Am Ende dieses Teils sollten die TeilnehmerInnen festgestellt haben, dass das Fallszenario folgende Themen behandelt: Beziehungsaggression, die zu Ausgrenzung und Ausgrenzung führt, und dass die Emotion, auf die sich diese Sitzung konzentriert, Wut ist.

VORBEREITUNG

Diese Sitzung wird zwischen dem Ausbilder (Improvisationsprofi) und den Betreuern durchgeführt. Sie alle sollten bequeme Kleidung und Schuhe tragen.

  • Dauer: 90 Minuten.
  • Anzahl der Teilnehmer: 6-20.
  • Ort: Ein Raum, in dem es Platz zum Bewegen gibt.

VERFAHREN

Einführung

Dauer: 10 Minuten.

Beschreibung: Einführung in das Fallszenario, die Fragen und die Emotion.

Improvisationstraining

Übung 1: «Du, Danke!»

Zweck: Aktivierung eines Partnergefühls.

Positive Aufnahme eines Impulses und Weitergabe

Dauer: 5 Minuten.

Beschreibung:. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stehen in einem Kreis. Jemand zeigt mit der Hand auf eine andere Person und sagt: «Du!“. Die angesprochene Person nickt und antwortet mit «Danke!». Diese Person ist an der Reihe und zeigt mit «Du!» auf die nächste Person. So geht es weiter.

Übung 2: Geräuscheball

Zweck: Energie aufbauen.

Vertrauen in den Impuls aufbauen.

Zeit zum Nachdenken reduzieren, stattdessen schnell zum Handeln kommen

Dauer: 5 Minuten.

Beschreibung: Die Teilnehmenden stehen in einem Kreis. Nacheinander werden nun verschiedene Geräusche an jemand anderen weitergegeben. Jeder Ton wird zuerst vom Empfänger wiederholt, dann wird ein neuer Ton an eine andere Person gesendet. Um dies physisch zu unterstützen, macht der «Sender» eine werfende Handbewegung, der Empfänger fängt dieses Geräusch auf. Nach einiger Zeit kann die Geschwindigkeit erhöht werden.

Übung 3: Assoziationsrunde

Zweck: positive Behandlung von Fehlern.

Stärkung des Bewusstseins, kein «Opfer» zu sein

Dauer: 15 Minuten.

Beschreibung: Alle Teilnehmer gehen durch den Raum. Einem inneren Impuls folgend, bleibt eine Person deutlich für die anderen stehen. In diesem Moment bleiben alle anderen Teilnehmer genau dort stehen, wo sie sind. Die erste Person (Person A) wirft ein beliebiges Wort zu einer frei gewählten Person B. Dies wird physisch unterstützt, indem die Hand auf diese Person gerichtet wird. Person B zeigt auf eine andere Person (Person C), indem sie das vorherige Wort mit einem neuen Wort assoziiert. Und los geht’s. Immer wenn jemand zu lange zögert oder kein Wort zur Hand hat (d.h. wenn diese Person zu sehr «im Kopf» ist), wirft er/sie enthusiastisch die Arme in die Luft und schreit so positiv wie möglich: «Noch mal!» Wenn dies geschieht, können alle TeilnehmerInnen wieder in den Raumlauf zurückgehen, bis eine neue Person für eine weitere Assoziationsrunde anhält. Der Fokus sollte hier eher auf dem positiven «Noch mal!» als auf einer korrekten Assoziation liegen.

Übung 4: Etwas rumgeben

Zweck: Im Augenblick sein und eine Entscheidung treffen.

Positive Akzeptanz als Bestätigung der Entscheidung

Dauer: 20 Minuten.

Beschreibung: Die Teilnehmenden stehen in einem Kreis.  Ein beliebiger Gegenstand (z.B. eine Tasse) wird abwechselnd von Person zu Person gegeben. Aus dem Objekt wird nun von jeder Person pantomimisch ein neues Objekt erstellt, das mit dem realen Objekt nichts zu tun hat. Dieses wird nun der Person auf der rechten Seite geschenkt, während die Person oder die Gruppe erraten kann, welchen Gegenstand sie erkannt hat.  Der Empfänger wird ermutigt, sich eindeutig über dieses Geschenk zu freuen, ob er den Gegenstand erkannt hat oder nicht. Die Teilnehmer sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass zu viel Zeit, die damit verbracht wird, über eine originelle Idee nachzudenken, Stress erzeugen kann. Sie sollten dem ersten Impuls folgen, der ihnen in den Sinn kommt, sobald sie den Gegenstand in Händen halten. Die positive Akzeptanz des Empfängers hilft dabei.

Übung 5: Whiskeymixer

Zweck: Fehler feiern.

«Versagen» als etwas Positives verstehen («Fröhlich versagen»)

Dauer: 10 Minuten.

Beschreibung: Die Teilnehmenden stehen in einem Kreis. Nach rechts wird nun der Reihe nach (und so schnell wie möglich) das Wort «Whiskeymixer» weitergegeben. Jede Person kann das Wort «Messwechsel»  an den Sender zurückgeben. Wenn dies geschieht, geht es in umgekehrter Richtung weiter, aber diesmal mit dem Wort «Wachsmaske». Auch hier ist ein Richtungswechsel jederzeit möglich mit dem Wort «Messwechsel», dann wieder mit «Whiskeymixer» nach rechts. Natürlich kommt ein «Fehler» nach dem anderen, denn das hohe Tempo lässt keine Zeit zum Nachdenken und zur korrekten Artikulation. Immer wenn jemand einen Fehler macht, d.h. das Wort falsch ausgesprochen wird oder die Person zu lange nachdenkt, muss er/sie um den Kreis herum laufen und auf seine/ihre Position zurückkommen, während das Wort im Takt weiterläuft.

Übung 6: Ich bin ein Baum

Zweck: schnelle Assoziation. Entscheidungen treffen.Gemeinsam Bilder erstellen.

Dauer: 15 Minuten.

Beschreibung: Diese Übung kann in einer «Bühnensituation» durchgeführt werden. Eine Person geht in die Mitte des Raumes, während alle anderen in einer Reihe vor ihr stehen. Die erste Person steht in einer geeigneten Pose und sagt laut und deutlich: «Ich bin ein Baum!“ Eine zweite Person schließt sich an und vervollständigt das Bild des Baumes mit einem passenden, frei gewählten Begriff, z.B. «Ich bin eine Wurzel». Eine dritte Person tut dasselbe, wiederum mit einem neuen, zum vorherigen Bild passenden Begriff, z.B. «Ich bin ein Specht». Die erste Person nennt nun eine der Personen, die sich der Gruppe angeschlossen haben, und bringt dieses Bild zurück zum Publikum. Z.B. «Ich nehme den Specht mit! Die «Wurzel» bleibt nun auf der Bühne, bleibt dort und wiederholt seinen/ihren Begriff noch einmal. Zwei neue Leute kommen nun hinzu, mit neuen Begriffen. So entsteht zu dritt ein völlig neues Bild, z.B. «Ich bin Zahnarzt» und «Ich bin der Anästhesist». Und so geht es immer weiter.

Übung 7: Museumsspiel

Zweck: Schnelle Assoziation; Entscheidungen treffen; Gemeinsam Bilder erstellen; Sich vom Moment inspirieren lassen

Dauer: 25 Minuten.

Beschreibung: Jeweils zwei Personen betreten gleichzeitig die Mitte des Raumes und posieren in einer frei gewählten Pose. Keine von ihnen muss eine Ahnung haben, was ihre Pose bedeutet. Eine dritte Person schliesst sich der Gruppe an und übernimmt die Funktion des «Museumsführers». Diese Person lässt sich nun von den Posen inspirieren und erklärt den anderen, welche fiktive Statue diese beiden Personen darstellen und welche Bedeutung diese Statue hat. Hier ist es völlig in Ordnung, ins Absurde zu gleiten (z.B: «Hier sehen wir die Sonne und den Mond, wie sie einen gnadenlosen Boxkampf austragen, wobei wir an der Siegespose der Sonne sehen können, dass sie gerade den Kampf gewonnen hat!) Nach ein paar Sätzen kann das Publikum Fragen zur Statue stellen, die der Museumsführer natürlich immer beantworten kann. Danach werden drei weitere Teilnehmer eine völlig neue Museumssituation schaffen.

SCHLUSSFOLGERUNG

Dauer: 5 Minuten.

Beschreibung: Am Ende der Sitzung stellt der/die Trainer/in Fragen, die zum Nachdenken anregen, nämlich «Wie denken Sie, dass die obige Sitzung mit der Emotion, mit der wir es zu tun haben, zusammenhängt?», «Was fanden Sie hilfreich?” Dann wird er/sie die Teilnehmenden auffordern, herauszufinden, was ihre Aufmerksamkeit gewonnen hat, was sie mitnehmen können und was sie als Bezugspunkt von all dem oben genannten Verfahren behalten wollen, sowie Fragen zu stellen, die sich auf die oben genannten Übungen beziehen.

ABSCHLUSS

Dauer: 5 minutes.

Beschreibung: Am Ende der Sitzung wird der Trainer Fragen stellen, um zum Nachdenken anzuregen: “Wie denkst du, hängt diese Sitzung mit der Emotion zusammen, mit der wir es zu tun haben?”, “Was hast du hilfreich gefunden?” , usw. Dann lädt er/sie die Teilnehmer ein, genau zu bestimmen, was ihre Aufmerksamkeit erregt hat, was sie behalten haben und was sie als Referenzpunkt aus dem oben genannten Verfahren behalten möchten, sowie Fragen zu den oben genannten Übungen zu stellen.